Letztens wäre mir fast der Kragen geplatzt, was – zu meinem Glück und dem Wohl meiner Mitmenschen –, nicht so häufig passiert.
Zugegeben, ich fühle mich meist schon ziemlich gestresst, wenn ich am Freitagnachmittag bei einem der ansässigen Supermärkte den Grosseinkauf für unsere fünfköpfige Familie erledige. Aber irgendwie geht es ja dann doch immer… Neuralgischer Punkt ist in der Regel die Kasse, vor der es mir meistens noch gut geht, während ich mich danach eher schlecht fühle. Das liegt weniger an der beachtlichen Summe, die aufgrund des prall gefüllten Einkaufswagens zusammenkommt. Vielmehr wird mir an der Kasse jeweils bewusst, dass von mir erwartet wird, reibungslos und in einem vorgegebenen Tempo zu «funktionieren».

Letzten Freitag nun wurde das Ganze auf die Spitze getrieben. Vor mir war ein junges Paar an der Reihe. Beide hatten offensichtlich eine Beeinträchtigung, die dazu führte, dass sie die Waren nur sehr langsam auf das Band legten. Die junge Dame an der Kasse kam dadurch aus dem Rhythmus, da sie die Produkte nicht in gewohnter Manier «zack-zack» über den Scanner ziehen konnte. Sie verdrehte die Augen und signalisierte, dass es ruhig etwas schneller gehen dürfe. Die beiden Menschen vor mir nahmen das aber gar nicht war, sie waren mit sich und ihrem Einkauf beschäftigt und liessen sich nicht aus der Ruhe bringen.

Ich musste mit Erschrecken feststellen, dass sich nach nicht allzu langer Zeit auch bei mir eine gewisse Ungeduld breit machte. Konnte man so selbstvergessen unterwegs sein und nicht bemerken, dass da jemand mit einem vollen Wagen stand und auch mal noch irgendwann drankommen wollte…? Ging es nicht wenigstens ein bisschen schneller???

Endlich an der Reihe, legte ich die Produkte zügig aufs Band, möglichst geordnet, damit ich sie nachher schnell ich die Einkaufstaschen packen konnte. Die Kassiererin gab alles und schob eine Packung nach der anderen «zack-zack» in das Auffangbecken, in dem ebenfalls ein Band lief und die Waren immer weiter nach hinten transportierte. Noch vorne am Aufladen, ergab sich hinten schon ein Berg von Lebensmitteln. Auch als alles gescannt war, wurde das Band im Auffangbecken nicht angehalten, wodurch die Sachen immer weiter ineinandergeschoben, verkeilt und teilweise auch zerdrückt wurden. «Hallo!?!», wollte ich rufen, «es handelt sich hier um Lebensmittel, nicht um irgendetwas, das man einfach achtlos auf einen Haufen schiebt». Und «Hey, Sie, ich habe in diesem Geschäft schon Tausende von Franken liegen lassen, da möchte ich wenigstens in Ruhe einpacken können!», donnerte es in meinem Kopf.

Fast wäre mir der Kragen geplatzt – wenn da nicht das stechende Gefühl gewesen wäre, dass es mir gerade vorhin, vor vier oder fünf Minuten, selbst zu langsam gegangen war. Hatte ich nicht unterschwellig erwartet, dass Menschen in einem bestimmten Tempo «funktionieren», so, wie es eben «normal» ist? Wurde ich vielleicht gerade selbst als «zu langsam» enttarnt?

Damit sind wir am entscheidenden Punkt. Das triviale Beispiel von der Kasse kann mich mit meinen Erwartungen, mit meinen Vorstellungen von Normalität, mit meinen Ansprüchen an mich und andere Menschen in Frage stellen, ja entlarven. Wie weit reicht die eigene Toleranz? Und wo wäre es angesagt, den Mund aufzumachen und zu intervenieren, wenn Menschen nicht mithalten können oder Lebensmittel wie ein Haufen wertloser Gegenstände behandelt werden?

Bärbel Hess Bodenmüller, Fachlehrerin für Religion und Seelsorgerin an der Alten Kanti Aarau