Grad gestern war ich in einem Zoommeeting und bei der gemeinsamen Bearbeitung eines Textes. Als ich nach gefühlten fünf Minuten immer noch nicht sah, was die anderen sahen, rief jemand rein: «Hast du Tomaten auf den Augen?!»

Naja, das sähe bestimmt lustig aus, wenn ich wirklich mit Tomaten auf den Augen vor dem Bildschirm sitzen würde. Viele Menschen legen sich manchmal Gurken auf die Augen, um sie zu pflegen. Tomaten benutzt man dafür nicht. Trotzdem haben manche Leute oft Tomaten auf den Augen.

Eigentlich bedeutet diese Redewendung nur, dass ich etwas nicht bemerkt oder nicht gesehen habe, das war mir schon klar. Aber warum sind es denn jetzt ausgerechnet die Tomaten auf den Augen und nicht etwa Äpfel, Kartoffeln oder eben die Gurken!?

Wir alle kennen Redewendungen. Wir sprechen oder hören sie manchmal fast tagtäglich, aber die wenigsten wissen woher sie kommen, wie auch ich. Nun, es lässt mir keine Ruhe, ich muss es rausfinden. Menschen leben in unterschiedlichen Kulturen und sprechen die verschiedensten Sprachen. Deren Strukturen prägen auch in ungeahntem Ausmass die Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen. Sprache kann also auch unser Denken formen, ist das nicht spannend?
So, und nun zurück zu diesen Tomaten… was steckt dahinter?

Im Netz finde ich mehrere Ursprünge, hier die zwei verbreitetsten:

Tomaten sind bekanntlich rot. Genauso rot sehen auch unsere Augen aus, wenn wir müde oder verschlafen sind. Und müde Menschen sind oft auch nicht ganz so aufmerksam und bemerken wichtige Sachen nicht. Deshalb haben sie dann die sprichwörtlichen „Tomaten auf den Augen“, denn das weisse um die Pupille ist rötlich gefärbt.

Oder die spanische Variante:
Diese Redewendung kommt aus dem mittelalterlichen Spanien, wo die Tomate (in Österreich natürlich der Paradeiser) lange als Frucht der Sünde galt. Betrüger, Diebe oder Ehebrecher hörten deshalb oft das Gerichtsurteil: «tomates en los ojos» – auf Deutsch «Tomaten auf die Augen»!

Also, dann schon lieber das Erstere. Nun, ich hoffe Sie haben nicht nur Bahnhof verstanden, ich habe Ihnen hier nämlich keinen Bären aufgebunden, darauf gebe ich Brief und Siegel.

Bleiben Sie am Ball…