In der Regel merkt man mir das Virus nur während sechs Tagen im Jahr an – die restliche Zeit des Jahres trage ich es latent in mir.
Ein Kribbeln im Bauch und leichte Nervosität – das sind die ersten Symptome, welche ich jeweils Anfangs Februar verspüre. Danach ist das Virus reaktiviert und keine Medizin kann es vertreiben. Es weckt mich in den frühen Morgenstunden. Mein Aussehen verändert sich. Ich lache und singe scheinbar unkontrolliert. Das Virus lodert akut und ich bin sehr ansteckend. Den Höhepunkt erreicht das Virus am Sonntag vor Aschermittwoch. Und so schnell wie es gekommen ist – ist es dann auch schon wieder vorbei. Zurück bleiben die Nachwehen wie Muskelkater, eine heisere Stimme und viele bunte Konfetti in der Wohnung. Ja, so ist der Verlauf und ich freue mich jedes Jahr auf’s Neue auf mein Virus der 5. Jahreszeit.
Ich erinnere mich noch sehr genau daran, wie ich das erste Mal infiziert wurde. In der 3. Primarklasse durften wir als Gruppe am Fasnachts-Umzug in Würenlingen teilnehmen. Unsere Köpfe steckten in grossen Kopf-Masken, die wir aus Pappmaché in der Schule gebastelt hatten. Um die lange Pappnase war ein grosses buntes Stoff-Taschentuch gewickelt. Passend zum Thema: „Es stinkt! Mehr autofreie Sonntage für bessere Luft!“
Seither reaktiviert sich das harmlose Virus jedes Jahr wieder in mir. Mal sind die Symptome schwächer – mal etwas stärker. In all den Jahren bescherte mir das Virus unzählige lustige Erlebnisse und schöne Erinnerungen. Auch konnte ich so manche Frauen, Männer und Kinder damit anstecken. Gemeinsam nähten wir Kostüme, bastelten Zubehör und genossen schliesslich als Höhepunkt sechs wilde und verrückte Tage.
Vor drei Jahren gründete ich zusammen mit anderen infizierten Menschen die ökumenische Fasnachts-Gruppe „Kirchenmäuse“. Verkleidet als grosse Mäuse marschieren wir seither am Umzug in Klingnau mit. Wobei wir alles andere als graue Mäuschen sind.
Nun jährt sich meine Infizierung bald wieder. Wenn da nicht das neue Covid-Virus wäre, das nun seit einem Jahr den Menschen auf der ganzen Welt Unglück, Leid und Tod bringt. Damit diese Pandemie endlich unter Kontrolle gebracht werden kann, sind Veranstaltungen und Versammlungen abgesagt und gemeinsames Singen ist verboten.
Jahrelang trugen viele von uns während der Fasnacht freiwillig eine Maske, um traditionsgemäss den Winter zu vertreiben. Nun müssen wir alle Tag für Tag eine Maske tragen, damit wir uns nicht mit diesem gefährlichen Virus anstecken. Ich frage mich, ob wir es mit diesen Hygiene-Masken auch vertreiben können?
Also keine Fasnacht im Februar 2021! Worauf soll ich mich nun freuen? Dieses Jahr werde ich mich damit begnügen, dass ich seit der Fasnacht 2020 kein bösartiges Virus erwischt habe und auch meine Liebsten wohlauf sind.
Und vielleicht lässt sich die eine oder der andere per Videokonferenz mit dem harmlosen Virus anstecken. Einen Versuch ist es mir wert 🙂
Concetta Gamper
Danke für diesen Blogtext. Hat mir den Tag versüsst. Werde mich jetzt spontan heute Nachmittag für die Videokonferenz verkleiden 🙂
wunderbar 🙂